Beneidet ihr sie auch – die rüstigen Pensionäre, die gut aussehenden Mittzwanziger und die ungebundenen Familien, die sich einfach mal ein oder mehrere Jahre Auszeit nehmen, um um die Welt zu reisen? Und seid ihr genau so genervt von diesen Influencer-Typen, die einem im Ohr liegen, dass man doch nur wollen muss, alles eine Frage des Mindset ist, man schließlich nur das eine Leben hat und halt einfach machen soll?
Das passt doch überhaupt nicht zur eigenen Realität. In der Zeit und Geld endliche Ressourcen sind. Kinder in die Schule gehen. Man es sich nicht erlauben kann oder keinen Bock drauf hat, den Job hinzuschmeißen. Vielleicht Angehörige zu pflegen sind, oder die eigene Gesundheit den Radius begrenzt. Von sozialmedialen Sprücheklopfern erklärt zu bekommen, es läge nur an der inneren Einstellung, hilft einem jedenfalls nicht weiter.
So ist es auch bei uns. Meine junge Co-Pilotin geht zur Schule, hat ihren festen Freundeskreis. Ich habe einen Job, den ich mag (theoretisch kann ich den von überall machen, aber beim Reisen will ich eigentlich nicht noch arbeiten), und auch mit unserem Familienmodell wäre eine längerfristige Auszeit nicht so leicht zu organisieren.
Was also tun, wenn man trotzdem die Welt abseits ausgetretener Pfade erkunden möchte, länger als die Schulferien erlauben? Gibt es vielleicht doch einen anderen Weg, für den man sein Leben nicht gleich komplett über den Haufen werfen muss? — Vorneweg: Die Patentlösung, die für alle funktioniert, haben auch wir nicht. Dafür sind Lebenswege zu unterschiedlich. Aber wir haben eine Idee, die wir ausprobieren und davon berichten wollen: Eine Langzeitreise in Etappen.
Wie es dazu kam: Das Aha-Erlebnis hatte ich 2022 auf unserer Reise durch Armenien. Wir gönnten uns nach einigen staubigen Tagen on the road und einer gepflegen Panne in dem Overlander-Hotspot ein paar entspannte Tage am Pool. Wir kamen mit einer Familie ins Gespräch, die in der warmen Jahreszeit mit ihrem Bus Vorder- und Zentralasien bereiste, und über den Winter ihr Vehikel eben hier einlagerte, bis das Wetter wieder zum Reisen taugte. Es fing an, in mir zu arbeiten: Wäre es nicht viel cooler, am Ende der Sommerferien nicht wieder 4.000 Kilometer aus Armenien zurück nach Deutschland fahren zu müssen? Sondern das Abenteuer nur zu unterbrechen, anstatt es zu beenden? Irgendwann klickte es: Wir teilen die große Reise in Etappen auf! Das Auto bleibt beim Ende jeder Etappe vor Ort und wartet auf uns. Für die nächste Etappe fliegen wir wieder dahin, wo das Auto steht, steigen ein und fahren los.
Klar, wir könnten auch jedes Mal ein Auto mieten. Aber das muss man suchen, mieten, in Empfang nehmen, beladen, entladen und wieder übergeben. Wenn man dann noch Campingausrüstung braucht, wird es noch mal eine Ecke komplizierter und meist ein teures Vergnügen. Und dann darf man oft noch nicht mal alle Routen oder über Landesgrenzen fahren. Von den diversen Scams, die viele Vermieter regelmäßig mit ihren Kunden versuchen, fangen wir mal gar nicht an.
An der ganzen Nummer hängt natürlich etwas Organisation. So müssen wir jedes Mal für das Auto einen vertrauenswürdigen Stellplatz in einem fremden Land finden. Worum wir auch nicht herum kommen werden, ist, dass pro Etappe die Zeit begrenzt sein wird. So werden wir Prioritäten setzen müssen, was uns besonders interessiert, wo wir Zeit verbringen möchten. Denn eigentlich reisen wir gerne langsam. Das bedeutet im Umkehrschluss: Es wird zwischendurch schnelle Verbindungsetappen geben, in denen ich das Fahrzeug zwischen den gemütlichen Reiseetappen umpositioniere.
Für das Vorhaben braucht es auch ein Vehikel, das wir zu Hause nicht brauchen. Seit einigen Monaten mache ich dafür einen Honda CR-V aus den 90ern (robust, mechanisch, ökonomisch, ausreichend geländegängig, wurde auf der ganzen Welt verkauft) für die Reise fit.
Was wir dafür haben: Wir können jederzeit mit überschaubaren Vorbereitungen und ohne langwierige Hin- und Heimreise ins nächste Abenteuer in der Ferne starten. Im Sommer soll es los gehen. Wir sind gespannt, ob es so laufen wird, wie wir uns das vorstellen. — Na gut, wahrscheinlich wird es wie immer anders laufen. Aber Überraschungen sind doch das Schöne am Reisen, oder? Wird werden berichten.
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