Sveiki! – Warum es uns immer wieder nach Litauen zieht

Warschaus Rush Hour liegt hinter uns. Zeit, die steifen Beine etwas zu lockern. Als wir auf den Rastplatz abbiegen, fällt es mir auf: Dieser etwas herunter gekommene Parkplatz, das kleine Restaurant, der alte Baum. Ich krame in der Foto-App. Tatsache: Genau hier standen wir schon im Sommer 2017, also vor sieben Jahren, als wir uns zum ersten Mal nach Litauen aufmachten. Auf dem Foto sitzt meine damals noch winzige Co-Pilotin auf dem Dach unseres neuen, alten Volvos und schaut verträumt in den polnischen Sonnenuntergang. Die Reise damals war die erste Bewährungsprobe für unser treues Reisemobil, das uns seitdem durch viele weitere Abenteuer begleitet hat. Damals sind wir zu totalen Litauen-Fans geworden und kommen immer wieder gerne zurück. Aber was ist es eigentlich, das uns immer wieder dorthin zieht?

Der wilde Osten, ganz nah

Unser erster Besuch damals war sehr spontan. Ich hatte zwei Wochen frei, die kleine Co-Pilotin und ich hatten Bock auf Natur und Abenteuer. Ich bin eigentlich totaler Osteuropa-Fan, aber z.B. bis auf den Balkan wäre es in der kurzen Zeit zu weit mit einer Vierjährigen. Also Atlas Kartenapp raus und gestöbert. Hm, im Baltikum waren wir noch nie. Litauen ist von Deutschland aus gesehen das näheste baltische Land. Einmal quer durch Polen, das war machbar. Also Volvo gepackt und los ging’s. Die paar Tage haben uns damals so begeistert, dass wir seitdem immer wieder kommen. Jedes Mal, wenn wir vor kurzen Ferien brainstormen, kommt unweigerlich der Vorschlag: „Und was ist mit Litauen?“

Unser erstes Mal in Litauen war auch die erste Bewährungrobe für unseren treuen Volvo.

So kommt ihr hin: Von Berlin bis an die litauische Grenze sind es etwa 900 Kilometer, größtenteils über eine hervorragend ausgebaute Autobahn und Schnellstraßen. Wer gutes Sitzfleisch hat, fährt die an einem Tag. Wir machen meist unterwegs einen oder zwei Stops in Polen (Knödel! Bier!). Vorsicht, Täuschung: Das letzte Stück hinter Warschau bis zur litauischen Grenze sieht auf der Karte relativ kurz aus, dauert aber tatsächlich je nach Verkehr noch mal so lange, wie die gesamte Strecke ab der deutschen Grenze davor.

Osteuropa mit Skandinavien-Vibes

Diesmal, sieben Jahre nach unserem ersten Besuch, muss sich unser neues Gefährt, ein japanisches SUV aus den 90ern, mit dem es bald auf noch größere Reise gehen soll, auf derselben Route beweisen. Nach dem Motto: Was litauisches Wellblech und Waldwege aushält, wird auch die Pisten der Welt meistern.

Der Verkehr wird dünner, der Wald dichter. Wir sind etwa eine Stunde vor der litauischen Grenze. Der urwüchsige Kiefernwald mit satt grünem Moosboden erinnert ein bisschen an Skandinavien. Vielleicht ist es genau das: Ich liebe die weiten Wälder, die Seen und die klare Luft im hohen Norden. Aber viel mehr noch fasziniert mich Osteuropa. Das Abenteurliche, das Unperfekte. Vor allem: die fast grenzenlose Herzlichkeit und Gastfreundschaft der Menschen. In Litauen bekommt man das beste aus beiden Welten.

Ein Paradies für Freisteher

Fast geschafft! Die erste Stovyklavietė hinter der Grenze ist unsere. Wir biegen von der Schnellstraße auf eine kleine Landstraße, dann auf einen einen rumpeligen Weg, der uns mehrere Kilometer durch den Wald zum Slavanto-See führt. Stovyklavietė, so nennt man in Litauen offzielle Zeltplätze, meist von der Naturschutzbehörde betrieben. Diesen Platz hier habe ich im letzten Jahr, auf der Rückfahrt von einem Baltikum-Solotrip ausgekundschaftet. Auf einer Lichtung schmeiße baue ich das Wurfzelt auf. Noch schnell per QR-Code die 1,30 Euro Gebühr für unseren Aufenthalt im Regionalpark bezahlt, jetzt kann der gemütliche Teil beginnen. Über dem See geht die Sonne unter, ich köpfe ein litauisches IPA. Meine junge Co-Pilotin hat die lange Anreise mal wieder total entspannt mitgemacht. Nun stellt sie den Mini-Erdkröten nach, die zu Hunderten unseren Stellplatz bevölkern.

Viel Wald, viel Ruhe. Entspanntes Campen geht in Litauen ganz hervorragend.

So campt ihr richtig: In Litauen ist frei Campen außerhalb von National-/Regional-/Naturparks erlaubt bzw. toleriert. Allerdings gibt es gerade in den Parks ein großes Angebot einfacher, uriger, meist staatlich betriebener Zeltplätze. Die sind entweder umsonst oder für einen kleinen Obolus nutzbar. Die Größe reicht von winzig mit nur einem Platz bis zu riesigen, ganze Seeufer säumenden Waldflächen. Feuerstellen, Plumpsklos und oft auch überdachte Sitzgelegenheiten sind meist dabei. Die Litauer campen selbst gern, allerdings ist unter Litauern Kuschelcamping angenehm verpönt, und so findet man eigentlich immer einen entspannten, ruhigen Spot.
Tipp: In der Kartenapp einfach nach Zeltplatz oder Stovyklavietė suchen.

Litauen schmeckt – selbst gefangen am besten

Ein paar Tage später, wir fahren einen unserer Stammplätze nordöstlich von Vilnius an. Für meine Co-Pilotin das Highlight, auf das sie sich schon die ganze Zeit freut. Hier hatten wir bei unserem letzten Besuch Bekanntschaft mit einer litauischen Familie gemacht. Die packten, wir lagen noch im Dachzelt, mehrere Krebsnetze neben uns aus und befüllten sie mit gefrorenem Fisch. Neugierig fragte ich, was es damit auf sich hat. Schnell waren meine Kleine und ich eingebunden in eine tagfüllende Flusskrebs-Fangaktion: Die Netze an einen Stock binden und damit mit Fingerspitzengefühl unter das von der Strömung unterspülte Flussufer platzieren. Dann nach etwas Warten das Netz mit einem Ruck nach oben ziehen. Der Fang ließ sich sehen: Mehrere Eimer der invasiven amerikanischen Signalkrebse holten wir damals aus dem Fluss. Die Familie verabschiedete sich, aber nicht ohne uns einen Eimer Krebse inklusive Rezept da zu lassen. Toll, für solche Erlebnissen reisen wir. Natürlich probieren wir es dieses Mal noch einmal alleine. Nicht so erfolgreich wie unter der kundigen Anleitung der Locals, aber dafür zieht meine angelbegeisterte Copilotin noch einen schönen Barsch aus dem Fluss. Wir lassen den Tag mit einer baltischen Fischplatte ausklingen.

Frischer geht’s nicht: Flusskrebse geradewegs aus dem Fluss. Nicht nur sind die köstlich, man tut auch dem Ökosystem etwas gutes: Die Biester wurden nämlich aus Nordamerika eingeschleppt und machen heimischen Arten das Leben schwer.

Angeln in Litauen: Man braucht keinen Angelschein, sondern nur eine Angellizenz. Die bekommt man, warum auch immer, an den Tabakständen, die es in den größeren Supermärkten (z.B. Iki, Maxima) gibt. Theoretisch kann man die Lizenzen neuerdings auch online kaufen, allerdings war die Seite bei unserem letzten Besuch nicht erreichbar. Die Lizenz für eine Woche kostet etwa 10 Euro und erlaubt es euch, in allen öffentlichen Gewässern zu angeln.

Aber auch Sammler kommen auf ihre Kosten.

Litauen hat viele Gesichter

Tja, und warum kommen wir nun immer wieder zurück? – Wahrscheinlich ist es die Mischung aus Abenteuer, nicht zu langer Anreise und wilder, urwüchsiger Natur. Auch wird es uns nie langweilig: Das Land ist unglaublich vielseitig. Im Westen gibt es wunderschöne Meeresstrände, im Osten dichten Wald und zahllose Seen. Dazwischen viel weites Land. Im einen Moment zieht ein Bullerbü-Holzhaus-Dorf vorbei, im nächsten Moment fährt man durch eine Kleinstadt aus brutalistischen Sowjet-Plattenbauten, Fabrikschloten und absurd überdimensionierten Skulpturen.

So sind wir auch dieses mal um wieder neue Eindrücke reicher, als sich unser kurzer Roadtrip dem Ende zuneigt. Aber wir wissen genau: Da gibt es noch viel zu entdecken, der Stoff reicht für weitere Besuche!


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